Büssing D2U |
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Berliner Senat entscheidet: Bus statt Straßenbahn |
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Mit dem Doppeldecker D2U begann in Berlin ein neues Zeitalter: Nach dem 2. Weltkrieg suchten die Berliner Verkehrs-Betriebe (BVG) im Rahmen des Wiederaufbaus auch nach neuen Fahrzeug-Ideen. Der Senat des jetzt geteilten Berlins hatte beschlossen, Westberlin zur autofreundlichen Stadt umzubauen – mit mehr Platz für die Straße. Dementsprechend musste die Straßenbahn weichen, der letzte O-Bus stellte 1965 seinen Dienst ein und bis 1967 verschwanden die Trassen der Straßenbahn größtenteils unter Asphalt. |
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Im Omnibus sah nicht nur der Senat, sondern auch der Berliner ein ideale Fortbewegungsmittel. Die hohe Akzeptanz bei der Bevölkerung sprach für den systematischen Ausbau des Busnetzes in Westberlin, seit 1950 wuchs der Berliner Busverkehr, nicht zuletzt, weil sich der Senat gegen die Straßenbahn ausgesprochen hatte. Es entstanden viele neue Buslinien, die auch als Zubringer zu den S- und U-Bahnstationen dienten. Das einzige, was fehlte, waren die entsprechenden Fahrzeuge. |
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1951 wurde von Orenstein & Koppel auf der Industrieausstellung in Berlin mit dem D2U der Prototyp einer neuen Doppeldecker-Generation vorgestellt: Selbsttragende Bauswiese und ein Unterflurmotor sorgten für Aufsehen. Außerdem zu erwähnen sind die erstmalig bei einem Berliner Doppeldecker verwandte Falttür als Vordertür und die vollständige Auskleidung der Innenwände und der Decke mit Holz bzw. Kunststoffplatten. Einen selbsttragenden Bus hatte zu dieser Zeit nur Kässbohrer im Angebot, somit gab es wenig Erfahrungen, ob dieses Konzept unter extremen Belastungen im wahrsten Sinne tragfähig sei. Notwendig war es auf jeden Fall, denn die BVG benötigte Fahrzeuge und erteilte den Auftrag für einen leichten, zweiachsigen Doppeldecker mit glatter Frontpartie und ohne schweres Untergestell. |
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Die erste Nachkriegsentwicklung eines neuen BVG-Doppeldeckers erhielt schon auf der Industrieausstellung viel Zuspruch, denn nach Kriegsende und der Teilung Berlins standen von einst rund 900 Omnibussen nur noch gut 20 Fahrzeuge zur Verfügung. Der Bestand an verfügbaren Fahrzeugen schrumpfte durch Verluste im Krieg, die Beschlagnahme durch die Wehrmacht und durch Flüchtlingstransporte weit aus Berlin heraus. Bei der von Orenstein & Koppel vorgestellten Bauweise verzichtete man auf das Fahrgestell, der Wagenkästen trug sich in sich selbst sowie den Anbau sämtlicher Antriebsaggregate vom Motor über das Getriebe bis zu den Rädern. |
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Konzept mit konstruktiven Vorteilen |
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Das Gerippe des Doppeldeckers bestand aus miteinander verschweißten Stahlblechen und -profilen, die durch aufgeschweißte Wellbleche zusätzliche Verstärkung erhielten. Bis zur Fensterhöhe wurden auf das Gerippe zur weiteren Festigkeit Bleche aus reinem Aluminium genietet. Ferner trugen Zwischenwände vom Fahrgastraum zum Fahrerplatz sowie zur Plattform samt Stahlblechen zur Festigkeit bei. Keine tragende Rolle hingegen spielte das Gerippe des Oberdecks, welches aus gezogenen und genieteten Leichtmetallprofilen sowie einer Verkleidung aus genieteten Aluminiumblechen hergestellt wurde und lediglich auf das Unterdeck aufgeschraubt worden ist. Die Trennstelle ist durch die markante, umlaufende Zierleiste abgedeckt. |
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Die Basis für den Antrieb bildete bei allen Fahrzeugen ein wassergekühlter 6-Zylinder-Viertakt-Reihemotor von Büssing, der bei einer Bohrung von 118 Millimetern und einem Hubraum von 9.850 Kubikzentimetern sowie 2.000 U/min seinerzeit 110 kW (150 PS) leistete. Der seinerzeit neu auf den Markt gekommene Unterflurmotor U10 bot in diesem Konzept einen entscheidenden Vorteil: Doppeldecker sind hoch und brauchen einen möglichst tiefen Schwerpunkt. Hier waren auch die vorn und hinten verbauten Halbelliptikfedern von Vorteil, die die Wankbewegungen deutlich reduzieren. Außerdem verschwand der Motor komplett unter dem Wagenboden, sodass die gesamte Fläche dem Fahrgastraum zur Verfügung stand. Die ersten Doppeldecker wurden mit unsynchronisierten, mechanischen Büssing 5-Gang-Schaltgetrieben ausgerüstet, ab 1954 kam vereinzelt auch schon das automatische, zweistufige Getriebe von Voith zum Einsatz. Ab 1957 erhielten alle neu beschafften D2U das automatische Diwabus-Getriebe. |
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Auffälligstes Merkmal des D2U war die offene Plattform im Heck, ein traditionelles Merkmal der Omnibusse. Berliner liebten diesen offen Ein- bzw. Ausstieg ihrer Busse sehr, denn bei langsam fahrenden Fahrzeugen konnte man selbst entscheiden, noch eben schnell auf- oder abzuspringen. Hierfür war die Haltestange in der Mitte der Plattform äußerst hilfreich. Für die Wintermonate gab es einen Vorhang zwischen Plattform und unterem Fahrgastraum, der die Kälte mehr oder weniger aussperrte. Ab 1963 wird die offene Heckplattform abgeschafft und durch eine Falttür ersetzt – zuvor war zur Erhöhung der Sicherheit die Haltestange bei vielen Omnibusse durch eine breite Leiste mit zwei Griffstangen ersetzt worden. Auch andere Veränderungen waren von Vorteil: Ab 1955 erhielten die Fahrzeuge gebogene Windschutzscheiben, die auch als Panoramascheiben bezeichnet wurden, weil der Holm der Vorgänger samt kleiner Scheibe nicht mehr vorhanden war und die Sicht auf die Straße viel großzügiger wurde. |
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Nicht nur in Berlin erfolgreich |
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Der 10,4 m lange und 2,5 m breite Doppeldecker maß in der Höhe 4,025 m und hatte bei einem Leergewicht von 9,5 t ein zulässiges Gesamtgewicht von 16 t (Angabe Fa. Gaubschat 15,15t, Angabe Fa. Orenstein & Koppel in 1952 15,15t, in und ab 1955 16t). Das Unterdeck bot 8 Stehplätze und 34 Sitzplätze, die Dank der Anordnung des seitlichen Laufganges im Oberdeck auf der linken Seite allesamt ausreichend Kopffreiheit hatten. Im Oderdeck waren 36 Sitzplätze auf Viererbänken vorhanden. Die Plattform selbst war für 9 Stehplätze zugelassen, mit einer Ausnahmegenehmigung im Spitzenverkehr auch für 12 stehende Fahrgäste. |
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Wie erfolgreich dieses Konzept letztendlich war, zeigt die Summe von insgesamt 948 gebauten Doppelstockbussen des D2U. Nicht alle wurden bei Orenstein & Koppel gebaut, auch die Deutsche Waggon– und Maschinenfabriken und Gaubschat bauten mit. Im Jahr 1952 beschaffte die BVG einmalig 39 Fahrzeuge des Typs D3U, die als Dreiachser aber auf einem Fahrgestell aufgebaut wurden. So wollte man einer höheren Beförderungskapazität entsprechen. Der D3U war 70 Zentimeter länger als der D2U, wog aber auch stolze 3 Tonnen mehr – im Verhältnis zur größeren Fahrgastkapazität zu viel. Die Modellbezeichnung des D2U zeigt am Ende zwei weitere Ziffern, die jeweils für das Baujahr der entsprechenden Serie stehen. Ein D2U 64 gehört somit zu der letzten, von Orenstein & Koppel gebauten Serie, die bis Mitte 1965 an die BVG ausgeliefert wurde. |
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Nicht nur in Berlin fuhr der D2U: Vier Fahrzeuge waren bei den Stadtwerken in Mönchengladbach, vier in Stuttgart/Heidelberg bei der WEG, acht in Lübeck-Travemünde bei der LVG, ein Bus bei der AESAG in Aachen und ein D2U sogar in Moskau im Einsatz. Und nicht zu vergessen der Gaubschat-Vorführbus von 1961. |
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Der Büssing D2U zum Mitfahren |
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Der Prototyp von 1951 ist heute noch heute in Berlin zu finden: als Museumsfahrzeug in der historischen Sammlung des Deutschen Technikmuseums. Ein weiterer ist im Fuhrpark von Travellin House Tours und steht für europaweite Hotelbus-Reisen zur Verfügung. Die Arbeitsgemeinschaft Traditionsbus hat sich die Bewahrung von Fahrzeugen der Berliner Nahverkehrsgeschichte zur Aufgabe gestellt. Mehrere Fahrzeuge des Typs D2U in unterschiedlichem musealem Zustand sind im Bestand. Der Büssing D2U mit der Wagennummer 1629, Baujahr 1964, kann auch gemietet werden oder bei den so genannten Traditionsfahrten auf den Berliner Straßen im wahrsten Sinne "erfahren" werden. Denn Berlin ohne Doppeldecker ist einfach nicht denkbar. Was in London der rote Routemaster ist in Berlin der große Gelbe – allen voran der Büssing D2U. Rüdiger Schreiber |
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Technische Daten |
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Karosserie: selbsttragende Bauweise, L/B/H 10.400 / 2.500 / 4.025 mm, Spurweite vorn/hinten 2.003/1.832 Millimeter, Radstand 5.250 Millimeter, Überhang vorn/hinten 2.050 / 3.050 Millimeter, Einstiegshöhe 380 Millimeter, Wendekreis 23.200 Millimeter |
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Motor/Getriebe/Achsen: Büssing U10 mit 110 kW / 150 PS, maximales Drehmoment 2.000 U/min, Bohrung/Hub 118 / 150 Millimeter, Hubraum 9.850 Kubikzentimeter, unsynchronisiertes, 5-Gang-Handwechselgetriebe von Büssing, ab 1954 vereinzelt, ab 1957 immer das automatische, zweistufige Diwabus-Getriebe von Voith, Getriebe 5 GSN (1. Gang 6,2; 2. Gang 3,2; 3. Gang 1,75; 4. Gang 1; 5. Gang 0,65; Rückwärtsgang 7,04; Hinterachsuntersetzung 7,8), Kupplung Fichtel und Sachs LA 2/50 HG6, Schneckenlenkung, Halbelliptikfedern vorn und hinten, Druckluft-/Öldruck-Fußbremse, Bereifung 11.00-20, Leergewicht 9.610 kg, Betriebsgewicht 15.660 kg |
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Sitzplätze: Plattform: 9 Stehplätze (zeitweilig im Spitzenverkehr 12), Unterdeck: 8 Steh- und 34 Sitzplätze (3+3 und 4+4 quer zur Fahrtrchtung), Oberdeck: 36 Sitzplätze, zusammen 91 Fahrgäste |
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Bauzeit: 1951-1964, 930 Fahrzeuge für West-Berlin |
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Preis: k.A. |
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Dankeschön... |
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© Text:: Rüdiger Schreiber © Bildmaterial: Archiv Ziegenhirt, Archiv Hessbrüggen, Konrad Pernetta, Günter Schlink, Sven Sonnenburg, Heribert van Unen, Travellin House Tours, Rüdiger Schreiber Arbeitsgemeinschaft Traditionsbus, Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) |
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Vielen Dank für die Unterstützung bei der Erstellung des Textes und das Beantworten der vielen Fragen sowie das Bildmaterial an Sven Sonnenburg, Frank von Riman-Lipinski und Manfred Fritzsche von der Arbeitsgemeinschaft Traditionsbus |
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Links zum Büssing D2U |
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Hier geht es zur Internetseite der Arbeitsgemeinschaft Traditionsbus |
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Hier geht es zur Internetseite der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) |
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Hier geht es zur Internetseite Travelin House Tours, die Reisen im D2U anbieten |
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Hier geht es zur Internetseite von Günter Schlink und seinem D2U |
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Video von TV Berlin |
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TV Berlin stellt Stefan Freytag als Initiator von Traditionsbus Berlin und die Sammlung in einem gut dreiminütigen Beitrag vor. Zum Anschauen des Videos bitte auf das Bild klicken! |
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(c) TV Berlin
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