Zurück in die Zukunft

 

 

 

 

 

Skopje Doppeldecker Yutong ZK 6116 HGS - modellbus.info Skopje Doppeldecker Yutong ZK 6116 HGS - modellbus.info

Alltag in Skopje: Rote Doppeldecker sichern zur Freude der Bürger den ÖPNV.

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Mit 202 Doppeldeckern aus China und einer Verkehrsinitiative der europäischen Union hat die mazedonische Hauptstadt Skopje den öffentlichen Busverkehr wieder neu belebt. Als der ÖPNV in Skopje zusammenbrach, waren es nicht die maroden Fahrzeuge, sondern ein Erdbeben im Jahr 1963, das dafür verantwortlich war. Viele der legendären englischen Doppeldecker, in London ausgemustert und in Skopje im täglichen Nahverkehr unterwegs, waren nach dem Erdbeben unbrauchbar.

 

 

 

 

 

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200 Doppeldecker für den Linienverkehr im Retro-Look und zwei Sightseeing-Busse sind in Skopje unterwegs.

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Der Wiederaufbau mit Omnibussen als Hilfe aus den sozialistischen Bruderstaaten kam Ende der 60er Jahre schnell wieder in Fahrt. Die Fahrgastzahlen stiegen stark an, der Bus war mehr als eine Alternative zum Pkw, den es für viel nicht gab. Das Aus für den ÖPNV in Skopje begann in den Neunziger Jahren, als die Dienstleistung teilprivatisiert wurde. Ziele und Visionen, wie sich der Nahverkehr im Miteinander von öffentlichen und privaten Betreibern entwickeln sollte, gab es nicht.

 

 

 

 

 

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Yutong verbaut die hauseigene Armaturenberett-Konstruktion - ein bisschen a la Neoplan...

 

 

 

 

 

Nötige Investitionen blieben aus, mit einem Durchschnittsalter von 17 Jahren bei städtischen und 27 Jahren bei privaten Linienbussen war die tägliche Verfügbarkeit der Fahrzeuge nicht mehr gegeben. Einen übersichtlichen Fahrplan und ein einheitliches Tarifsystem gab es nicht, Busse waren unpünktlich und erreichten ihr Ziel oft nicht. Die Zahl der Fahrgäste war stark rückläufig, die Fahrgastzahlen sanken von 150 Millionen auf nur noch 45 Millionen pro Jahr.

 
 

 

 

 

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Im ganzen Stadtgebiet und allen Straßen unterwegs: Die Yutong-Doppeldecker für Skopje.

 

 

 

 

 

Mit Unterstützung von Experten aus Europa und preiswerten Omnibussen aus chinesischer Großserienfertigung konnte Bürgermeister Koce Trajanovski das Verkehrschaos in Skopje lösen. Die CIVITAS-Initiative der Europäischen Union unterstützt Städte beim Aufbau einen Nahverkehrssystems, das auf Nachhaltigkeit, Umweltfreundlichkeit und Energieeffizienz ausgerichtet ist. 36 Städte in ganz Europa werden mit 100 Millionen Euro gefördert, das gesamte Budget der Initiative beträgt über 300 Millionen Euro. Die Bewerbung der Stadt Skopje fand Gehör und wurde in das Projekt Renaissance für Städte mit historischem Hintergrund aufgenommen. In Skopje wurde unter Aufsicht der EU projektiert und evaluiert, die Grundlagenermittlung für ein neues Nahverkehrssystem schloss sogar den Masterplan von 1912 mit ein.

 

 

 

 

 

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Rote Doppeldecker sind für die ÖPNV-Nutzer in Skopje ein Muss...

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Schnell stellte sich dabei heraus, dass die Akzeptanz für den ÖPNV bei der Bevölkerung eng mit den Fahrzeugen verbunden ist. Die ausgemusterten Doppeldecker aus London waren willkommen, reparaturanfällige Busse aus Balkanstaaten wurden abgelehnt. Vor diesem Hintergrund wollte die Stadt zurück zu alten Tugenden. Der erarbeitete und tragfähige Verkehrsplan sah 200 Doppeldecker für den Linienverkehr vor, zwei weitere sollen als Sightseeing-Busse für Touristen im neu aufgebauten historischen Stadtkern fahren.

 

 

 

 

 

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Transportminister Mile Janakievski (Mitte) übernimmt den ersten Skopje-Doppeldecker bei Yutong.

 

 

 

 

 

In Europa fand sich kein Busproduzent, der eine derart kleine Serie und dann auch noch exklusiv für Skopje bauen wollte. Die mazedonische Regierung nutzte Kontakte nach China. Von dort kamen schnell positive Signale zurück, mittlerweile wollten aber auch Otomotiv aus der Türkei und Sanos aus Mazedonien sowie King Long - über die bulgarische Niederlassung - den Bus bauen. Das Fahrzeug wurde daraufhin spezifiziert und durch die EU-Berater kontrolliert. Die Ausschreibung rief dann weitere Hersteller auf den Plan, den Zuschlag erhielt im die Zhengzhou Yutong Group. Das zu den fünf weltweit führenden Busherstellern zählende Unternehmen erfüllte die schriftlichen Zusagen für die geforderte Qualität, den After-Sales-Service und den Bau nach EU-Standards. Ausschlaggebend war aber auch das Angebot von Zhengzhou Yutong: 175.000 Euro kostet jedes Fahrzeug.

 

 

 

 

 

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Werksbesichtigung mit Minister und Prototyp des Yutong ZK 6116 HGS.

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Wenige Monaten später präsentierten die Chinesen schon einen ersten Prototyp: Rot und im Retro-Design, niederflurig, klimatisiert und mit westlichen Komponenten beim Antrieb - ganz nach den Wünschen der Mazedonen. Auch andere Vorgaben wurden maßgenau erfüllt: Für den historischen Stadtkern sollte der Bus nur gute zehn Meter lang sein. Ganze 10.580 mm Länge bei 2.500 mm Breite und 4.194 mm Höhe sind es geworden. Das Unterdeck hat eine Stehhöhe von 1.900 mm und bietet 18 Sitz- und 20 Stehplätze sowie drei Klappsitze im Stehperron. Ins Oberdeck mit 1.685 mm Stehhöhe und 39 Sitzplätzen führen zwei Treppen, die den Fahrgastfluss optimieren sollen. Der hintere Aufgang im Heck ist quer zum Fahrzeug eingebaut, die vordere Treppe läuft entgegen der Fahrtrichtung und soll beim Bremsen so mögliche Stürze verhindern.

 

 

 

 

 

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Das Unterdeck hat eine Stehhöhe von 1,9 Metern und bietet 18 Sitz- sowie 20 Stehplätze...

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...im Oberdeck mit 1,685 Metern Stehhöhe gibt es 39 Sitzplätze. Zwei Treppen führen nach oben.

 

 

 

 

 

Für die tägliche Verfügbarkeit der 202 Fahrzeuge sorgen westliche Komponenten: Getriebe und Achsen sowie die Lenkung stammen von ZF, Wabco liefert elektronische Brems- und Fahrzeugregelsysteme einschließlich ABS,  wohlige Wärme kommt von Webasto – selbst bei den Reifen (275/70R22,5) geht man mit Michelin auf Nummer sicher. Beim Motor hingegen setzen die Mazedonen auf einen Dieselmotor von Yutong vom Typ ISB6.7e5258B mit 210 kW (285 PS), der die Euro 4 Abgaswerte problemlos erfüllt, wie erste Messungen ergeben haben. Das 6,7 Liter große Aggregat legt 1.020 Newtonmeter bei 1.200 bis 1.800 Touren an die Welle und ist ein in Lizenz gefertigter Motor aus Amerika. Das Konzept ging auf, heute erreichen die roten Doppeldecker in Skopje ihre Ziele schnell und zuverlässig. Der öffentliche Personennahverkehr in Skopje ist zurück in der Zukunft.

 

 

Rüdiger Schreiber

 

 

Anm.: Der Artikel ist eine überarbeitete Fassung meines Artikels aus der Fachzeitschrift lastauto omnibus  08-2011

 

 

 

 

 

Radio-Reportage: Geheime Lieblingsorte

 

 

 

 

 

Die Hörfunkkorrespondenten in aller Welt haben für eine Serie im Nordwestradio jeweils einen Beitrag über ihre Lieblingsorte erstellt: Ob die Heimat der polnischen Tartaren, ein geheimnisvolles KGB-Büro in Prag, der kreative Rückzugsort des walisischen Schriftstellers Dylan Thomas oder mit dem Doppeldecker durch Skopje: Die Hörfunkkorrespondenten entführen den Zuhörer an Plätze, von denen man womöglich noch nie etwas gehört oder gelesen hat. Sightseeing bei der ganz normalen Busfahrt im Doppeldecker: Das gibt's nicht nur in der Metropole London, auch die mazedonische Hauptstadt Skopje lässt sich so entdecken, berichtet die Osteuropa-Korrespondentin Karla Engelhard. .

 

 

 

 

 

 

Für die Radio-Reportage "Geheime Lieblingsorte" Doppeldecker in Skopje bitte auf das linke Bild klicken,

für die Website von Radio Bremen mit dem informativen Text bitte auf das rechte Bild klicken!

 

 

 

((C)Text- und Bildmaterial: modellbus.info / Rüdiger Schreiber / Yutong)

 

 

 

 

 

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